Was in der Gärtnerei passieren kann…

Das kann mal passieren. Deine Brille belügt dich, aber nicht die auf der Nase,  die innere, mit der du aufgewachsen bist: du schauest die Welt dadurch an und interpretierst alles. Wenn A hier ist, dann soll B bestimmt da sein. Die Etiketten „gut“ und „schlecht“ hängst du an die Umgebung, und jetzt bist du glücklich und gelassen. Eindeutigkeit rettet die innere Unruhe vom Chaos in der Außenwelt, aber so…  ist alles unter Kontrolle.

Wieder mal sind wir mit den Kindern in die Gärtnerei gegangen, und da befindet sich ein kleiner Zoo mit Tieren zum Verkaufen. Die Kinder freuen sich darüber und ich schaue mich um und überlege hart, ob ich mir die speziellen Rasenschuhe mit Nägeln zum Auflockern der Erde kaufen soll oder nicht. Plötzlich steht ein junges Paar vor mir: die beiden stehen so lieb und zärtlich  nebeneinander, wie es am Samstagvormittag üblich ist. Sie drücken sich ganz fest (lese – verliebt) und schauen in einen Käfig. Ich kann mir das nur vorstellen, dass ihr Beobachtungsobjekt ein nettes weiches Tierchen ist, sonst würde die junge Frau sich nicht mit „Süß, süß!“  äußern. Da drin könnte alles sein – ein Vogel oder ein Kaninchen, aber vom Kontext ausgehend war es sicher nicht eine Schlange oder eine Riesenschabe.

Inzwischen male ich das Bild fertig aus: sie halten die Blumentopfen in den Händen. Sehr wahrscheinlich ziehen sie zusammen, aber sind noch nicht verheiratet. Ein erster Versuch mit dem gemeinsamen Haushalt und Familienbudget. Es gibt keine Kinder, aber Elterninstinkte und Hormone sind nicht mehr zu verdrängen. Logischerweise stehen sie jetzt dort und suchen für sich ein zukünftiges “Kind“ aus. Die Gesichter strahlen vor Rührung, als ob ein Neugeborenes  vor ihnen läge.

Was ist denn da endlich?

Ich habe auch reingeschaut, musste sogar auf meinen Zehenspitzen stehen und… „Mein Gott“ – da war es: eine haarige Vogelspinne. Sein Tagesmenü besteht sogar aus Mäusen und Fischen… So etwas habe ich überhaupt nicht erwartet und atmete  nur „OK“ aus. Aber die junge Frau, fasziniert und begeistert,  wiederholte immer und immer wieder „So süß!“ und blickte mich an auf der Suche nach dem gleichgesinnten Gesprächspartner.

Sie haben nichts gekauft und ich war noch lange da vor der Spinne und tief in Gedanken: was für ein trügerisches Netz  spinnen meine eigene Projektionen, Schemen und Stereotypen.

Eine durch Stereotypisierung verursachte Wahrnehmungsverzerrung ist mir damals passiert – und wo? Im Supermarkt, um die Ecke.

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