Auf einmal entscheidest Du, Deine Zeit der echten Kunst zu widmen. Dafür fährst Du oder fliegst Du ins berühmte Museum, zum Beispiel das Louvre. Du bereitest Dich auf die Reise vor und freust Dich auf den Moment, wenn Deine Augen die Augen von „Mona Lisa“ treffen. Das ist nicht mehr nur ein Bild, das ist eine Ikone, die von den Jahrhunderten geprüft und von den Millionen angebetet wurde. Und endlich bist Du im Museum, folgst den Pfeilen wie im Kinderspiel und gehst durch einen Saal nach dem anderen. Und da, wo Hektik und Chaos herrscht, in Mehrstimmigkeit und Mehrsprachigkeit des touristischen Stroms, unter Blitzen und heißem Atem der Fans, hängt sie an der Wand, schaut sich hochnäsig um und lächelt. Und Dein langerwartetes und so stark erwünschtes Treffen, die innere Spannung und das Glück? Alles ist in diesem Augenblick verschwunden. Du schaust sie an und fühlst nichts. „Ok, dann fotografiere ich mich hier am wenigstens“. Ein typischer Museumsbesuch pro forma oder für den „like“.
Manchmal kann es auch so sein. Zufällig und ganz ungeplannt bist Du in einem Hörsaal, die Rollladen sind heruntergelassen, das Licht ist aus, und schnell weggehen kannst du auch nicht mehr. Durch den alten Projektor zeigt man die teilweise zerkratzen Dias von den Bildern des Künstlers. Die ganze Stunde lang! Du sitzt in der Dunkelheit und die Profile der Frauen, ihre Haare unter dem durchsichtigen Umhang, die Hände und die Arme schwimmen auf dem Bildschirm vorbei… Und auf einmal passiert mit Dir etwas, es kratzt Dir im Halse, die Augen sind voll Tränen und alles zittert in Dir. Und dann Du verstehst ganz eindeutig und klar – der Künstler ist ein Genie, und Du hast noch nie in Deinem Leben etwas Schöneres gesehen.
Herzlichste Glückswünsche zum Geburtstag von Leonardo da Vinci, liebe Freunde, das ist die kulturelle Erbschaft, die uns alle einigt und keine nationalen, ethnischen oder religiösen Unterschiede kennt.
Irina Murg 