Die Schwangerschaft und das Selbstwertgefühl

Ich bin eine Mutter von zwei Kindern. Und erst jetzt ist der Moment gekommen, dass ich endlich meinen Kopf aus dem Windel- und dem Kleiderhaufen rausstrecken kann. Ich kann sogar einen Blick in die weite Himmelbläue werfen und einen Cafè Latte in aller Ruhe des Kaffeehauses am Bahnhofplatz genießen, solange die Kinder im Kindergarten betreut werden. Die langersehnte Freiheit und das Alleinsein ist plötzlich da, obwohl mir die Stille immer noch fehlt. Vor allem am Nachmittag muss ich mich in unendlicher Diplomatie, Verhandlungen und im schlimmsten Fall Strafsanktionen mit meinen zwei Äffchen üben.

Aber tagaus, tagein vermisse ich mehr und mehr meine schwangere Tage.

Warum passiert es?

Ein gewünschtes Kind, das ist ein Wunder, das du in dir von Anfang an trägst. Ihr seid untrennbar, bleibt im Einklang und Bund zusammen. Wenn du dir aus Mutterliebe ganz fest wünschst – „Ihm drin soll es gut gehen“ – strebst du danach, alles zu machen, dass es auch dir gut geht. Ein süßes „Ich will“ – wird zur Priorität vor dem „Ich muß“: heute mache ich das, was mir Freude bereitet.

Meisterst du die Eclairs mit den dickeren Vanillecreme, mit einer Walnuss wie ein Edelstein im Teig versteckt und üppiger Schokoladenschicht darauf? Oder lässt du dich einfach gemütlich unter der Wollendecke auf der Couch wälzen? Gehst du Nordic-Walking über den Feldern oder genießt dein Lieblingsbuch mit Zitronentee? Egal was du unternimmst, die Hauptsache ist immer die Gleiche: du überfüllst dich mit Zufriedenheit und Freude bis zur äußersten Kante.

Ich darf alles! Und diese Erholung, dieses Glück muss man nicht speziell durch pausenlose fleißige Anstrengung verdienen und erst dann mit der Fernbedienung in der Hand oder im Internet sich entspannen – „jetzt endlich schlägt die erträumte Belohnungsstunde!“

Ich bin da, mein schwangerer Körper und meine schwangere Seele erbringen kolossale Leistung, auch wenn ich nur sitze und liege. Das Kind blüht in mir auf, ich bin wertvoll per se und befinde mich im Zentrum des Weltalls und der Schöpfung. Nichts muss zum Verdienen gemacht werden, es wird einfach gelebt.

Vom Kind in meinem Körper übernehme ich die einfache Wahrnehmung des Lebens – nicht als Ergebnis und Leistung. Ein Prozess! Ja, du erstrebst dein erwünschtes Ziel, die Tage laufen vorbei, aber du vergisst nie was wichtig ist – gesund und glücklich bleiben. Für dich und für es. Die Musik, die Gerüche, die Kunst, das Theater – da spannen sich und vibrieren die Saiten durch die erlebte ästhetische Ekstase. Die gemütlichen gutherzigen Leute, lange Gespräche beim stark verdünnten Kaffee, Waldspaziergänge oder schneller Lauf, nicht weil du dick bist und abnehmen musst. Nein, es tut deinem Körper einfach herrlich wohl. Kein Zwang zum Sport und zur Diät, nur aufmerksames Zuhören auf dein inneres Empfinden: wie geht es dem Bauch? Ist es schon genug mit der Belastung für heute? Über was würde ich mich besonders beim Essen freuen? Und schlafen gehst du genau dann wenn du müde bist, anders geht es nicht.

In der Schwangerschaft bist du in schöpferischer Harmonie, du liebst dich und nimmst dich an. Tief in dir sammeln sich die Kräfte eines neuen Lebens und wächst ein kleines rührseliges Universum.

Was wird mit der Selbstgenügsamkeit der Frau nach der Geburt? Warum ändern sich die Prioritäten so radikal und verwandeln sich auf immer und ewig in „ich muß“? Und es geht nicht mehr um die obligatorische Pflege über das Kind, „Muß“ breitet sich auf alle Lebensbereiche aus und lässt nicht los, auch wenn das Kind in den Kindergarten geht. Sogar den populären Serie „muss“ man mal gucken – „ ich darf nie zurückbleiben“.

Warum höre ich auf nach Glück, Spaß und Lust weiterzustreben, sobald keine Nabelschnurverbindung zwischen mir und ihm mehr besteht? Warum muss ich, nicht-schwangere, zuerst meine Entspannung und Glück verdienen? Wo ist der erträumte Selbstwert der nicht von der Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Projekte, der Laufkilometern und selbstgebackenen Weihnachtskeksen abhängt. Ich lebe und atme, Ich bin ein Mensch, warum soll dies für das Selbstwertgefühl nicht reichen?

Das ist der Grund. Ich vermisse die Schwangerschaft als Körper- und Seelenzustand. Das ist der Grund warum die werdenden Mütter so strahlen. Sie wissen was zählt. Sie hasten nicht, sie umsorgen sich selbst und das Leben darin.

Und wir, die nicht-schwangeren, bleiben allein mit uns selbst und unseren eigenen inneren Kindern, die die letzten sind, die wir erfreuen, lieben und verwöhnen. Schade…

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